Thema  des  Monats                 

Okt./Nov. 2004

 

B e t o n  -  Kleine Bau- und Kulturgeschichte eines Alltagsbaustoffes.


   Der Baustoff Beton ist viel älter als gemeinhin ange- nommen, er war schon in der Antike ein gebräuchliches Baumaterial.  Der Römische Beton ist eine der bedeutendsten Erfindungen der Baugeschichte. Seine lateinische Bezeichnung lautet opus caementitium (opus  = Werk, Bauwerk, Bauverfahren und  caementum = Bruchstein, Mauerstein, Zuschlagstoff; Ursprung für unser heutiges Wort Zement). Caementum wird mit materia bzw. mortar (Mörtel) gemischt und ergibt, nach Erhärten des Bindemittels, ein sehr druckfestes Konglomeratgestein, einen künst- lichen Stein aus Menschenhand.

Da sein Aussehen und seine Eigenschaften unserem heutigen Beton sehr nahe kommt, verwenden Archäologie und Baugeschichte dafür die Bezeichnungen Gussmauerwerk, Gussbeton, Kalkbeton oder auch römischer Beton. 

Opus caementitium war also ein Herstellverfahren für Bauteile hoher Druckfestigkeit aus Mörtel und Steinen und war ein somit bereits ein Beitrag zum rationellen Bauen.

 

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   Tempel,  Wohnhäuser, Straßen, Brücken, Thermen und Amphitheater, Häfen, Zisternen, Wasserleitungen, Aquädukte und Abwasserkanäle wurden unter Verwendung von opus caementitium erbaut. Besondere Leistungen der römischen Baumeister waren die großartigen Hallen- und Kuppelbauten. Beeindruckendstes Beispiel ist das Pantheon. Die hier gewagten Abmessungen waren der vorrömischen Baukunst unbekannt und wurden - nachdem diese Bautechniken im Mittelalter in Vergessenheit gerieten - erst wieder im 20. Jahrhundert erreicht.

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  Der französische Gärtner Joseph Monier  war es leid, dass seine großen Pflanzkübel immer wieder zerbrachen, wenn er sie mit Erde befüllte. 1867 kam es so ganz nebenbei zu einer spektakulären Erfindung:  Er verstärkte die Betonkübel kurzerhand mit Eisendrähten, die er in den Beton eingoss. 

Das war die Geburtsstunde des Baustoffes Stahlbeton. Das Prinzip hatte der 26-Jährige Monier an seinen Pflanzen beobachtet, die ihren Stängeln mit zähen Fasern Halt gegen Brechen und Knicken geben.

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  Bewehrter Beton setzte sich im späten 19. Jahrhundert als Baustoff durch. Um die Jahrhundertwende entstanden Architekturen in damals beeindruckenden Dimensionen. In Breslau entstand 1913 die (heute noch erhaltene) von Max Berg entworfene Jahrhunderthalle mit der damals größten freischwebenden Kuppel der Welt. Sie bietet Platz für 20 000 Menschen. 

Da jetzt mühelos große Spannweiten überbrückt werden konnten, wurde Stahlbeton zum bevorzugten Konstruktionsprinzip des Industriezeitalters.

 

 

 

 

   In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wagte man sich an die Grenzen:  Felix Candela war einer der einfallsreichsten Betonkonstrukteure des letzten Jahrhunderts. Eine häufig von ihm verwendete Form war der hyperbolische Paraboloid. Es handelt sich hierbei um eine dünne, zweifach gekrümmte Schale, die leicht zu konstruieren ist und ein sehr günstiges Tragverhalten aufweist. Das 1957 entstandene Restaurant  Los Manantiales in Xochimilco, Mexico D.F., ist das bekannteste Architekturbeispiel für eine Betondachkonstruktion in Form eines hyperbolischen Paraboloiden.

 

 

 

 

  Das Vorspannen der Stähle, eine Technik, die um 1960 anwendungsreif wurde, ermöglichte eine weitere Verbesserung des Tragverhaltens. Betonbauteile konnten nun filigran und schlank gefertigt werden und ermöglichten große Spannweiten. Pier Luigi Nervi befasste sich als Architekt und Ingenieur bevorzugt mit dem Bau von Beton-Dachtragwerken. Der Palazzetto dello Sport wurde anlässlich der Olympischen Spiele in Rom 1960 gebaut. Die Kuppel besteht aus vorfabrizierten, rautenförmigen Spannbetonkassetten, die auf einer Hilfskonstruktion aufgelegt und auf der Oberseite mit einer Betonschicht versehen wurden. Y-förmige Stützen tragen die Kuppel.

 

 

 

   Stahlbetonarchitektur als Massenware war nicht mehr aufzuhalten. Der schnell und rationell zu verarbeitende Baustoff setzte sich in den 70er Jahren auch im Wohnungsbau durch. Die Beton-Wohnburgen des Brutalismus stießen schnell auf breite Kritik. In den sozialistischen Staaten Osteuropas wurde der Betonfertigteilbau mit vorgefertigten Platten als Wunder- mittel zur Erreichung der Planziele in der "Wohnungsversorgung" der Bevölkerung angesehen. Die ästhetischen Defizite waren noch prekärer als die des westlichen Brutalismus.

 

 

 

 

  Die 70er: Beton als Sündenfall. Längst bröckelte der einstige Wunderbaustoff, nicht nur im Ansehen der Menschen  sondern auch körperlich. Schäden durch konstruktive Fehler, besonders Korossionsprobleme an der Bewehrung, wurden an den ersten älteren Betonbauwerken sichtbar. Ende der 70er Jahre musste auch die erste Spannbetonbrücke, wegen Ermüdung der Spannstähle, abgetragen werden. Dass knapp zwei Jahrzehnte später schon ein ganzer Gewerbezweig von Betonsanierungen leben würde, ahnten nur wenige. Aber die Aufbruchstimmung ist breiter Ernüchterung gewichen.

In den 80er und 90er Jahren war Beton, jedenfalls im Wohnungsbau, verpönt, oberhalb der Kellerdecke nur noch geduldet, wo er statisch unumgänglich war. Und selbst dort wurde er jetzt hinter Putz und Verkleidungen versteckt.

 

 

 

  Die Zukunft des Baustoffes Beton: Die technisch-kon- struktiven Probleme, die diesen Baustoff in Verruf gebracht haben gelten heute als gelöst. Für besonders diffizile Aufgaben, etwa hohe Belastungen oder besonders schlanke Abmessungen können zukünftig Bewehrungen aus hochfesten korrosions- beständigen Kunststoffen zum Einsatz kommen. Derzeit scheitert das vor allem noch an der Kostenfrage.

Auch faserverstärkte Betone werden neue gestalterische Möglickkeiten eröffnen. Filigrane Konstruktionen wie von Felix Candela werden auch in unseren Breiten alters- und witterungsbeständig ausführbar werden.

Auch im äußeren Erscheinungsbild zeigt sich Fortschritt. Die Sichtbeton-Optik wird nicht mehr von grauer Beton-Tristesse bestimmt. Bereits heute ist es möglich - durch natürliche Zuschlagstoffe, Farbpigmente und Gussmatritzen - Beton in unendlich vielen Farb- und Oberflächenvarianten herzustellen. Designbeton, wird zu einer attraktiven Alternative für Naturstein werden.

 

 

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Für uns - frei von Ideologie - ist Beton ein Baustoff wie jeder andere. Bei überlegtem Einsatz und materialgerechter Konstruktion führt er zu guten ästhetischen Ergebnissen und ist ein Beitrag zu werthaltigen und alterungsbeständigen Bauwerken

 

 

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